Restaurante Leo, Bogotá

„Wenn du in Bogota bist, und es dir irgendwie leisten kannst, geh zu Leo Espinosa“. So ein ehemaliger Food-Journalist, der jetzt ein Hostel in der Sierra Nevada de Santa Marta betreibt, als ich ihn frage, wo man denn nett in Medellin oder Bogota essen gehen kann. „Ich bin überzeugt davon, dass die Küche Kolumbiens gerade das durchmacht, was Peru vor einigen Jahren vorgelebt hat. Erst kommen die Spitzen-Gastronomen und dann der Rest. Kolumbien wird zu DER Trendküche der Welt werden.“ Er ist begeistert und ich neugierig. „Leo Espinosa ist ganz vorne mit dabei. Kolumbien ist das biodiverseste Land der Welt. Sie bringt diese Biodiversität auf den Teller. Jedes Gericht zelebriert eine Region, mit Zutaten die du nie wieder woanders essen wirst. Und nimm die Weinbegleitung, du wirst schon sehen warum.“ Das ist eine Ansage. Ich muss also da hin und reserviere mir einen Tisch, so als Abschluss einer siebenwöchigen Reise.

Zutatenliste. Nicht alles im heutigen Gericht verwendet.

Die Weinbegleitung fängt vergleichsweise simpel an. Ein Cava. Dazu vier Gerichte, die in Reihenfolge gegessen werden sollen.

Bestehend aus:

Flusskrebs mit Forellenrogen, Blättern vom „Santa Maria de Anis„, einem Schaum aus Copey-Schnecke, der wie Meerwasser schmeckt. (Repräsentiert das Meer, den Trockenwald und den Feuchtwald)

Weißer Fisch, Blättern aus einem Paramo (einer Hochlandsteppe), Güesgüin (einem Korbblüter) und Cupuacu (Repräsentiert den Hochandenwald, Paramo, Tropischen Regenwald)

Oktopus, Kokosnuss, Afropazifische Kräuter, Chontaduro (Pfirsichpalme) ( Repräsentiert das Meer, den pazifischen Regenwald und den Regenwald)

Sowie Thunfisch mit einer Kruste aus Santander-Ameisen, Langpfeffer und Molasse (Repräsentiert die Meeresküste, den Bergwald, den tropischen Trockenwald)

Beeindruckend. Ich weiss gar nicht wohin mit dem Einordnen komplett unbekannter und dennoch irre leckerer Geschmäcker.

Getränkebegleitung 2 ist schon um Lichtjahre interessanter. Fermentierte Kokablätter.

Dazu wieder vier, in Reihenfolge zu essende Gerichte:

Wels aus dem Amazonas mit Rindfleisch, das in der Sonne getrocknet wurde.
Ein Mousse aus Palmherzen mit Pulver aus getrocknetem Mojojoy (einer Käferlarve).
Mojojoy
Ein Brot aus Yucca mit einer Butter (nicht im offiziellen Menü)
Brühe aus Kaiman, Pfirsichpalme und Zitronenbaumameisen, die tatsächlich leicht nach Zitrus schmecken.

Keine dieser Zutat kommt von ungefähr. Sie werden alle seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden von der Indigenen Bevölkerung verwendet. Haben eine Bedeutung und eine Geschichte. Leo Espinosa schafft es auf vermutlich einzigartige Weise, diese Kultur und Geschichte in moderne Küche zu bringen, sich vor der Natur wie auch dem Erbe dieses Landes zu verneigen.

Es folgt ein Weißwein aus dem Baskenland.

Dazu das nächste Gericht:

Piracucú, auch Arapaima genannt, einer der größten Süßwasserfische der Welt. dazu Nussmilch aus Cacay, saure Yucca und „Lulito-Pfeffer“, zu dem ich keinerlei Referenz im Internet finde.

Es folgt ein Ferment aus Mais aus der Amazonas-Region.

Brühe aus Perlhuhn, sowie Mais und Casabe eingewickelt in Blätter, die im Menü als „Tallo-Leaves“ benannt werden. Allerdings ist Tallo nur der Begriff für die Sprossachse einer Pflanze, also unklar, worum es sich handelt.

Tatsächlich das einzige Gericht des Abends, das mich nicht allzu sehr beeindruckt, denn das, was in das Blatt eingewickelt ist, schmeckt leider doch etwas blass. Es folgt ein Pinot Noir aus dem Burgund

und dazu:

Dreierlei vom Piracucú. Haut und Zunge in einer Brühe, die aus dem Kopf gekocht wird.

Beeindruckend, auch weil damit wirklich jeder Teil des Tieres für die Gerichte des Abends verwendet wurde. Danach ein Malbec aus Patagonien, den der Kellner als seinen Lieblingswein hier preist. Für mich jedoch etwas zu schwer und fruchtig.

Dazu…

Fleisch vom Bock. In Sauce aus jenem Fleisch, mit (Arawako)-Kakao, eine Reminiszenz an die Arawak, einem indigenen Volk zu dem heutzutage in Südamerika nur noch die Wayuu gehören, die auf der Guajira-Halbinsel leben – mit wildem Kohl und Schalotte aus Ocaña in der Region „Norte de Santander“.

Es folgt: Fermentierter Borojo, eine Regenwaldfrucht. Süßlich, leicht säuerlich, schwer. Dazu der erste Nachtisch:

Eis aus der Nuss des Macambo-Baums, Kuchen mit Mambe (Coca-Pulver) und Creme Anglaise mit Conopio-Samen (ebenfalls nicht googlebar)

Der letzte Gang vor dem Kaffee (der allerdings nichts besonderes war) wird begleitet von Schnaps aus Met. Geht so. Dazu allerdings:

Knochengelatine auf Marshmallow in Salzschaum. Coquiendo (ebenfalls nicht googlebar).

Alles in allem mehr als beeindruckend. Die Vielfalt des Landes wirklich wundervoll auf dem Teller zelebriert. Einige Gerichte besser als andere, aber allemal das Gesamterlebnis wert. Auch, weil die Geschichte dazu stimmt. Auch in den entlegensten Gegegenden der Welt wird man keinen Geschmack finden, der so radikal anders ist, als alles was man je gegessen hat, aber Leo Espinosa versteht es zu sagen „das hier ist mein Land, meine Heimat, in seiner Gänze. Probier mal“. Und damit ein besonderes Erlebnis zu schaffen. Nebenbei bemerkt hat Leo Espinosa eine Stiftung, um die kulinarischen Traditionen des Landes zu bewahren und zu fördern (und damit auch die oft benachteiligten bewahrer*innen dieser Traditionen).

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