Segeln von Panama nach Cartagena

Der Darien Gap: 150 km undurchdringlicher Dschungel. Unterbrechung der Panamericana. Grund, warum Panama von den Unruhen Südamerikas vergleichsweise wenig abbekommt.

Also ein echtes Hindernis, wenn man von Panama nach Kolumbien kommen möchte. Denn nicht nur kommt man Dschungelbedingt nicht durch, es operieren auch noch Rebellen und Drogenbanden (teilweise in Personalunion) in dem Gebiet und während einige Haudegen es wohl geschafft haben, sind viele andere daran gestorben. Sprich: is nich.

Nur fliegen ist aber auch blöd, weil langweilig und viel co2. Zum Glück gibt’s aber Segeltouren.

Ein bisschen reviews gewälzt, ein paar Mailkontakte gehabt, Anzahlung geleistet, einen Tag Verspätung bekommen, und schon bringt mich ein Taxi zu einem Motorboot

und dieses Motorboot zur Wilson, die vor El Porvenir in den San Blas-Inseln ankert.

Der Käptn ist ursprünglich aus der großen Seefahrer-Nation Österreich, segelt aber seit 30 Jahren durch die Karibik. Sein Boot ist 13,5 meter lang und ich bin heilfroh, dass wir nicht ausgebucht sind, denn um 50 Dollar zu sparen, hatte ich mir nur ein Einzelbett gebucht, das wäre aber schon seehr eng gewesen und gerade während der Überfahrt zu einem echten Problem geworden.

Doch bevor wir nach Kolumbien übersetzen, erstmal San Blas.

Ein Archipel von 365 Inseln, davon etwa 50 bewohnt, und ungefähr genau so „Karibikinselig“ wie man sich das nur vorstellen kann. Feinste Sandstrände, einige wenige Palmen und gelegentlich eine Holzhütte. Ausserdem bekannt aus „Haus des Geldes“, wo die Inseln am Anfang der dritten Staffel kurz eine Rolle als Rückzugs/Fluchtort für Tokio und Rio spielen.

Eine Autonome Region, von Ureinwohnern selbstverwaltet. Und die haben irgendwann die Entscheidung getroffen, ihren Lebensstil nicht dem großen Tourismus-Geld zu opfern. Klar gibt’s einige wenige Unterkünfte und an jeder Hütte kann man kalte Getränke kaufen, aber das war’s dann auch. Keine Betonburgen, keine Tauchschulen, keine 5-Sterne-Luxus-Eco-Resorts.

Unser Leben ist ebenso entspannt. Drei Mahlzeiten am Tag, jeden morgen eine halbe Stunde zur nächsten Insel tuckern, ab und zu schwimmen oder eine kleine Insel zu Fuß umrunden, oder von Insel zu Insel schwimmen und dann vom örtlichen Hund abgehalten werden, diese auch zu betreten.

Bücher lesen, chillen, dösen.

An einem der Abende wird am Strand gegrillt, dann ein Lagerfeuer angezündet. Und vorher posieren wir noch für Klischee-Selfies.

Am morgen des vierten Tages geht’s dann los. Frühstücken,

nochmal duschen, Wassertank füllen, Beiboot aufs Vorderdeck packen, Segel hissen. Knapp 200 nautische Meilen bis Cartagena liegen vor uns. Zwischen 30 und 36 Stunden.

Leider ist auf der Hinreise der Autopilot kaputt gegangen. Sprich es muss die ganze Zeit gesteuert werden. Von den fünf anderen Passagieren hat aber niemand Lust, mir hingegen bereitet es große Freude, und so übernehme ich einige Schichten. Als ich zum ersten Mal steuere, wirft der Kapitän seine Angel aus und nur kurz darauf beisst ein großer Mahi-Mahi an.

Während meiner zweiten Schicht geht die Sonne unter. Was für ein wundervoller Anblick!

Aber auch mitten in der Nacht heißt es: alle drei Stunden aufstehen und 90 Minuten lang steuern. Eine gesunde Mischung aus „geil, aufregend, Abenteuer!“ Und „boah muss das eigentlich sein und kann ich nicht einfach in irgend einem Hotelbett liegen und schlafen?“

Als ich aufwache, sind wir schon sehr weit gekommen, und als ich von einem weiteren Nickerchen zum Mittagessen an Deck komme, segeln wir gerade an den ersten Kolumbianischen Inseln vorbei. Es sollen insgesamt nur knapp 30 Stunden werden. Für diese Richtung, in einem Januar, fast rekordverdächtig, sagt der Käptn.

Und so kommen wir dann um 16:30 in Cartagena an.

Bis wir dann auch von Bord kommen dauert es noch etwas. Erstens muss der Mahi-Mahi gegessen werden, zweitens muss das mit unserer Einreise geregelt werden, drittens können wir noch eine Nacht in der Koje verbringen und uns somit ein Hostelzimmer sparen.

Aber zuerst noch dieser Sonnenuntergang

Panama City, Henrik und Kalu Yala

„Wenn du in Panama bist, musst du X kennenlernen“ Teil 2. nach zweienhalb tollen Tagen in Gamboa bei Andy und Kitty, lerne ich nun Henrik kennen, der mich in der Albrook Mall abholt, dem grössten Shoppingcenter der Amerikas (USA eingeschlossen). Ein absurd grosses Ding, in dem ich mich verlaufe und extrem unwohl fühle.

Wir gehen essen, die Stadt von der anderen Seite der Bucht fotografieren.

Eigentlich der perfekte Ort um in Statue of Liberty-Grösse eine Tigerentenskulptur aufzustellen

Dann kurz zum Museum für Biodiversität, einem Frank Gehry-Bau, aber nur für einen Kaffee und eine kleine Kostenlose Ausstellung im Erdgeschoss. Der Rest soll dann doch nicht so sehr spannend sein.

Anschließend nach Casco Viejo, dem alten Stadtkern von Panama City, voller aufregender Kolonialbauten statt moderner Hochhäuser. Hat Flair, allerdings auch nur so ein bisschen, weil zu touristisch und glattpoliert.

Wir begegnen noch einem Fahrradfahrer auf seinem Weg von Patagonien nach Alaska und sehen diese Schuhe zum Verkauf.

Dann geht es an den Strand, in dessen Nähe Henrik wohnt.

Oder zumindest ein Ort, an dem Henrik wohnt. Er teilt sich nämlich sein Leben zwischen Veracruz (bei Panama City), Schweden, Medellin (da wohnt seine Frau die meiste Zeit) und dem Dschungel auf. Früher im Auftrag der Uno für Wald- und Biodiversitätsangelegenheiten unterwegs hat er es sich nun zur Aufgabe gemacht, Panama zu erhalten. Zumindest einen Teil, und so ist er unter anderem Besitzer eines zweier Waldstücke (200 und 700 Hektar) und einer Bergspitze. Er kennt sich hervorragend in Panamanischem Land-Besitzrecht aus und hat erst kürzlich vor dem obersten Gerichtshof gewonnen und damit verhindert, dass seine Bergspitze einem Steinbruch weichen muss.

Und auch sonst ist er auf Mission. Waldschutz, sagt er, ist Diplomatenarbeit. Viel mit den Leuten vor Ort reden, die Gesetzeslage erklären aber auch Leute auf seine Seite ziehen, um Übeltäter zur Strecke zu bringen. „Ich bin Catsitter“ sagt er, und meint damit dass die Pumas und Jaguare hier am Leben bleiben müssen. Bedroht durch Waldrodung (Für Rinderweiden) und Jäger (für traditionelle chinesische Medizin).

Aber langsam kommt Bewegung in die Sache. Die Gesetze wurden verschärft, es gibt neue Konzepte. „Mit den Leuten reden hilft immer noch am meisten“.

Und so fahren wir nach einer wundervoll ruhigen Nacht in einer Villa am Meer, auf die Henrik nebenher gerade aufpasst, und einem noch tolleren Sonnenaufgang in die Berge.

Kalu Yala ist ein Ökodorf nur unweit von Henriks 200-Hektar-Waldstück. Ein Ort an dem junge Student*innen forschen und Backpacker wandern können. Ein Renaturierungsprojekt wo auf ehemals gerodetem Land wieder Bäume wachsen. Wo Obst und Gemüse angebaut wird, wo abends an der Bar Bier getrunken und nachmittags in Hängematten abgehangen, oder eben gearbeitet wird.

Eigentlich wollten Henrik und ich auf den Berg. Sehen ob alles in Ordnung ist. Drohne steigen lassen und gucken, ob es Rodungen gab. Aber es kommt anders.

Berichte von Schüssen in letzter Zeit bedeuten, dass er zu den Nachbarn muss. Reden. Rausfinden wer hier ohne Genehmigung auf Jagd geht. Viel Kaffee trinken, mit Leuten reden, beiläufig Infos kriegen. Weiterforschen und die kürzlich gegründete Eco-Police informieren.

Ich hingegen gehe mit einem holländischen Touristen einen Bachlauf entlang wandern, bis wir schliesslich zu einem kleinen Naturpool kommen.

Ansonsten: Chillen. Das Leben hier ist so entspannt, dass ich recht traurig darüber bin, gleich wieder abreisen zu müssen, aber ich hatte bereits Pläne gemacht.

Als wir am nächsten Morgen abfahrberit sind, muss Henrik leider absagen. „Der Hauptverantwortliche für die Jagd ist im Dorf. Ich muss mit ihm sprechen, bitte nimm den Bus“, erklärt er mir. „Ich muss ihm zeigen dass er keine Berechtigung für die Jagd hat und mit ihm eine Vereinbarung schließen.“. Gesagt, getan. Als ich nachmittags am nächsten Ort ankomme schreibt er mir „es lief grossartig! Wir haben eine Stunde lang gesprochen und er wird die Grenzen respektieren und mir helfen, entsprechende Beschilderung aufzustellen“. Die hohe Kunst der Diplomatie.

Panama: Gamboa, Tag 2

Was tun, wenn man total müde von Jetlag, Reisen und Silvesterfeiern ist? Richtig: Morgens um 6:30 aufstehen!
Allerdings auch nicht einfach so, sondern weil ich Kajakfahren will, auf dem Fluss Chagres, der sich durch den hier angrenzenden Dschungel-Nationalpark zieht und im Panama-Kanal endet.

Die Sonne ist schon aufgegangen, als wir um kurz vor 7 am Ufer stehen und auf die Kajakvermieterin warten. Der Blick ist atemberaubend. Der Horizont noch verschwommen, der Dschungel ins morgendliche Gold getaucht, vollständige Ruhe.

Ich bekomme mein Paddel und eine Alibi-Schwimmweste ausgehändigt (Alibi weil sie nicht passt, ich sie aber brauche falls die Flusspolizei vorbei kommt).
„Fahr nicht nach rechts, da gehts in den Panama-Kanal und da ist Kajakfahren eher verboten“ sagt Andy mir noch, bevor er meinem Kajak einen beherzten Schubser gibt und ich lospaddle.
Ich habe mir ja nie viel aus Vögeln gemacht, bis heute. Denn auf der Strecke durch Mangroven, vorbei an Dschungel und über spiegelglattes, stilles Gewässer, begegne ich unzähligen Arten. Dreißig? Fünfzig? War das da hinten schon wieder ein anderer?

Immer wenn ich kurz erschöpft bin vom paddeln halte ich inne und horche, beobachte. Da vorne hat gerade einer etwas gefangen und macht sich auf, um zu essen. Da oben toben zwei um die Wette, da hinten wartet einer auf die richtige Gelegenheit. Die Menschen hier leben wirklich in einem Zoo. Umgeben von der atemberaubendsten, vielfältigsten Natur die man sich nur so vorstellen kann.

Nach guten zwei Stunden komme ich zum Ufer zurück. Ich soll das Boot bitte kurz von gröberem Dreck befreien, also wasche ich es unter diesem Wasserhahn. Als ich leicht dagegen stoße, bricht das Ding ab und ich verursache einen Springbrunnen.

Da wir es nicht spontan repariert kriegen und es auf dem Gelände des örtlichen 5-Sterne-Hotels steht, benachrichtigen wir selbiges und hauen ab.

Blick aus dem örtlichen Luxushotel

Hier ist eh zu viel los: Nächste Woche soll ein riesiges Musikfestival steigen, was angesichts der Lage direkt am Nationalpark eine abgrundtiefe Frechheit ist.

Wir kehren nach Hause zurück machen ein bisschen Frühstück und den rest des Nachmittags vebringe ich am Laptop. Neben dem ganzen Urlaubsding habe ich mir nämlich auch noch etwas zu Arbeiten mitgenommen und das will ja auch mal erledigt werden.

Gegen Spätnachmittag gehen wir dann nochmal raus in den Dschungel. Meine Gastgeber*innen wollen Joggen, ich hingegen auf einen Aussichtsturm. Das kostet üblicherweise 30 Dollar, nach 16 uhr ist aber alles geschlossen und man kann sich hochschleichen. Die Aussicht ist schon ziemlich beeindruckend,

noch viel interessanter ist es allerdings, die verschiedenen Schichten des Dschungels kennenzulernen.

Ob mir die ganze Chose allerdings wirklich das Geld wert gewesen wäre? Wohl kaum. Ich erfahre später, dass das Ding vor allem für „Birder“ da ist, also Menschen deren Hobby es ist, frühmorgens mit einem Feldstecher loszuziehen und Vogelarten zu entdecken.
Es gibt Hobbies, die verstehe weniger gut als andere.

Panama: Gamboa, Tag 1

„Oh du gehst nach Panama? Du musst Andy kennenlernen!“, so meine Freundin Hannah vor einigen Wochen als wir uns trafen. Ein paar E-Mails und 15 Stunden Flug später sitze ich in einem Uber von der Pazifik- an die Atlantikküste. Stellt sich raus, Panama ist klein und es sind keine 50 Kilometer bis ich in Gamboa ankomme, dem „Beginn“ des Panamakanals. Eine kleine Stadt, die einst in den Dschungel gebaut wurde, um die Bauarbeiter für den Kanal zu beherbergen. Einst lebten hier 3000 Leute. Jetzt sind es nur etwa 100. Die meisten nicht-locals sind Biologinnen, die mit dem Smithsonian Institute hier arbeiten. Als der Kanal gebaut wurde, wurde ziemlich schnell klar: Wenn wir schon einen Kontinent in zwei teilen, dann müssen wir das auch erforschen. Und so entstand eine riesige Forschungseinrichtung, die seit jener Zeit beobachtet, wie sich die Natur hier entwickelt. Andy betreibt die Digital Naturalism Laboratories, einen kleinen Makerspace für Biologinnen. Es geht um Technik, um Biologie, darum sich Testapparate selbst bauen zu können und die reichhaltige Natur hier besser erforschen zu können. Er hat eine mehrwöchige Konferenz ins Leben gerufen und bietet Residencies an, sowohl für Forscher*innen aus dem Ausland, als auch für Locals. Für mich der ideale Startpunkt, um drei Nächte lang erstmal anzukommen, ein bisschen den Dschungel zu entdecken und mal zu schauen, was ich sonst so machen will in diesem Land.
Morgens früh werde ich durch lautes Vogelgeschrei aufgeweckt. Im Garten hat sich ein Tukan niedergelassen. Überhaupt ist es sehr laut hier. Die Natur ist allgegenwärtig. Einerseits schön, andererseits doch recht gewöhnungsbedürftig. Und so machen wir uns gegen neun Uhr morgens auf, um bei dem einzigen Kiosk in der Nähe erstmal ein paar Kochbananen fürs Frühstück zu kaufen.
Auf dem Weg kommen wir an lustigen Palmen vorbei

begegnen Geiern

und laufen an einem Kran vorbei, der zunächst als Schwimmkran Nr. 1 in Kiel stationiert war und nach dem zweiten Weltkrieg vom US-Militär beschlagnahmt wurde. Nachdem er bis 1994 in Long Beach seinen Dienst tat, wurde er schließlich nach Panama gebracht, wo er bis heute als „Herman the German“ im Einsatz ist.

Nach dem Frühstück geht es in den Dschungel. Die Pipeline Road war einst zweispurig, im mitten durch den Dschungel gehauen um Öl quer durchs land transportieren zu können, im Falle dass der Panama-Kanal während des 2. Weltkrieges angegriffen wird. Inzwischen ist von der Straße nur noch eine einspurige Schotterpiste übrig. Der Dschungel hat sich alles zurückgeholt.

Andy ist auf dem Weg zu einem umgestürzten Baum, den er mit seinem Freund Andrew von der Straße räumen will. Da die Parkverwaltung sich nur so mäßig darum kümmert, machen die beiden daas freiwillig. Auf dem Weg: Kapuzineräffchen und Tukane, die sich leider nicht adäquat fotografieren lassen.

Während der Räumarbeiten laufe ich weiter die Straße entlang und sehe einen braunen Ameisenbären oder auch Tamandua.

Auch Schmetterlinge und allerhand bunte Vögel sind allgegenwärtig. Und sicher habe ich viel zu viele Tiere verpasst, weil ich ja auch nicht so ganz weiß, wie man darauf achten sollte.

Nachdem der dritte umgestürzte Baum die Straße versperrt entschließe ich mich, umzukehren. Genau richtig, denn als ich an einer Brücke über einen kleinen Fluss ankomme, sind meine Bekannten gerade dabei, selbigen Fluss entlangzugehen. An einer kleinen Biegung stellen wir ein paar Campingstühle in den Kies, die Kinder die dabei sind springen ins Wasser und die Eltern feuern einen Grill an. Top Sonntag.

Am Abend geht es dann noch zum Smithsonian Tropical Research Institute zur Bat Night. Die findet einmal im Monat statt und es gibt Vorträge über Fledermäuse und ein paar Tiere werden auch vorgeführt. Die werden in speziellen Netzen gefangen und später auch wieder freigelassen.
Alles in allem eine sehr nette Sache (wann kommt man denn schonmal dazu, eine Fledermaus mit einer Zuckerwasser-Pipette zu füttern?) aber ich bin müde und gejetlagged. Reicht auch an Input für den ersten Reisetag.