Mount Ramelau

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals freiwillig 3 Uhr aufgestanden bin. Vielleicht einmal für einen Flug, aber da ist das mit der Freiwilligkeit auch schon diskutierbar.

Aber Ramelau ist der höchste Berg Timors, gilt als Nationalheiligtum und Pilgerstätte und soll besonders bei Sonnenaufgang spektakulär sein, und nach der Tour von gestern will ich natürlich die Hauptattraktion nicht verpassen.

Ich habe mich um 21 Uhr schlafen gelegt und bin nun mäßig fit, vor allem auch weil mich eine Klimaanlagenbedingte Erkältung plagt. Hilft nichts. Ich ziehe meine Klamotten an, packe zwei Lagen extra-Klamotten in den Rucksack, nebst Keksen, Bananenchips, Wasser und Kamerausrüstung und fahre ein paar hundert Meter mit dem Moped zum Guest House der Französ*innen von gestern. Die drücken mir noch schnell einen Tee auf, und dann geht’s hinaus in die Dunkelheit.

Man kann hier zwar einen Guide bezahlen, aber uns wurde gesagt es sei schon alles nicht so schwer mit dem Weg finden und wir haben eine Kartenapp dabei, die uns detailliert genug erscheint. Trotzdem sind wir schon an der ersten Weggabelung leicht unsicher, finden uns schließlich aber zurecht.

Die ersten drei Kilometer hätten wir auch bequem mit dem Moped fahren können. Unspektakulär und ausreichend befestigt. Am “Tor” zum Bergpfad angekommen, werden wir erstmal von einer ganzen Horde Hunde “begrüßt”, die wir lieber mit ein paar Steinwürfen auf Abstand halten. Sicher ist sicher.

Weiter geht’s erstmal mit ein paar hundert Steinstufen. Was ganz willkommen ist, denn diese Steinwege sind nicht gerade angenehm zu laufen. Danach: hier mal etwas klettern, da kurz ausrutschen, sich aber wieder fangen.

Die Französin ist sehr langsam, ihr Freund dann ebenfalls und ich ziehe immer wieder vorweg, um dann zu warten. Bergauf kann ich nicht anders als schnell.

Immer wieder sieht man auf dem Boden die Reste von Instant-Mie-Nudelsuppen-Packungen. Das ist quasi die indonesische Variante von Instant-Ramen und das ganze Land ist süchtig nach dem Schrott. An unzähligen Hauswänden prangt Werbung für “Mie Sedaap” (die Marke), aber auch Schulen, Sportplätze. Überall Sponsoring. In einem Land mit 70% Mangelernährung, wo unzählige NGOs verzweifelt versuchen, den Leuten “gesunde Ernährung” beizubringen. Es ist ein Drama. Dazu überall die Plastikverpackungen.

Wie ich später erfahre, ist der Berg derzeit für Einheimische gesperrt. Der Wanderweg wurde achtlos vollgemüllt, es gab immer wieder Vorfälle von adoleszenten Timoresen, die ihr Geschlechtsteil an der Marienstatue auf dem Gipfel rieben, das fotografisch dokumentierten und auf Facebook stellten. Nicht gerade respektvoll gegenüber einem Ort der dem Land als Heiligtum gilt. Erst im Herbst soll nach großer Aufräumaktion und verändertem Müllkonzept wieder Eröffnung gefeiert werden.

Uns hält jedoch niemand auf. Etwa 950 Höhenmeter müssen wir bezwingen, neuneinhalb Kilometer. Und das dauert seine Zeit. So lange, dass wir uns die letzten 1000 meter dann etwas sputen müssen. Vorbei an einer Open-Air-Kirche (Foto nach Tagesanbruch geschossen)

den Berg rauf. Der Himmel verspricht gutes, der erste Ausblick knapp unterhalb des Gipfels auch:

Oben weht ein eisiger Wind. Zum Glück habe ich meine nicht-so-ganz-passende-und-auf-keinen-fall-atmungsaktive Jacke mit Hewlett-Packard-Logo dabei. Die Französ*innen waren ähnlich klug und haben sich einfach aus dem Guesthouse jeweils eine Wolldecke mitgenommen. Wir erreichen die Marienstatue auf dem Gipfel noch vor Sonnenaufgang.

Worte können ohnehin nicht beschreiben, wie es dort oben war, und meine Fotos sind recht gut geraten. Also hier:

Wir sitzen herum, frühstücken timoresisches Gebäck, Bananenchips und Indonesische Erdnusskekse und machen uns dann wieder auf den Weg den Berg hinab.

Erste Überraschung: 30 Meter unterhalb des Gipfels ist eine kleine Funkstation, an der ein Mann steht, mit einem Gästebuch. Er will “Ten Dollar”, was natürlich quatsch ist, aber eine kleine Spende tun wir ihm in die Kiste.

Danach geht es weiter, an der Kirche vorbei, immer weiter hinab. Immer wieder mit spektakulären Ausblicken auf das Umland.

 

Leider habe ich meine Kamera nicht schnell genug parat, als uns der nächste Mensch begegnet. Der kommt uns nämlich auf dem 1m breiten Wanderweg mit einer Machete entgegen, hat aber keine Wegelagerei im Sinne sondern vermutlich Forstwirtschaftliche Tätigkeit und grüßt uns freundlich.

Für mich wird der Rückweg zur Qual. Immer wieder muss ich pausieren, weil mein linkes Knie nicht so ganz mitmacht. Die nächsten Tage werde ich zusätzlich zur Erkältung mit fiesem Muskelkater zu kämpfen haben, aber dieser Sonnenaufgang war es wert. Schließlich kommen wir wieder am Wanderwegs-Eingang an

Nachdem wir noch einer Gruppe Pilgerer mit “Wir besteigen Mt Ramelau!”-T-Shirts begegnet sind. Offensichtlich gibts also auch dafür Ausnahmen, was die „Sperrung“ angeht.

Noch einmal Gästebuch eintragen (warum es auch immer zwei hier gibt), dann zum Hotel. Sachen packen und ab geht’s. Den Rückweg haue ich ganz schön rein, trotz Motocross-Strecke, und bin mit kurzem Zwischenstop zum Wassertrinken nach dreieinhalb Stunden wieder in Dili. Vermutlich Rekord, wenn man nicht im selbstgefährdenden Bereich fährt. Ein bisschen mache ich mir noch Sorgen um die Französ*innen: Es ist Sonntag und die gesamten 18km Feldweg zur Hauptstraße begegne ich keinerlei Verkehr. Ich hoffe sehr, dass sie nicht den ganzen Weg laufen mussten und irgendwie noch am gleichen Tag nach Dili zurück gekommen sind.

Den Rest des Tages verbringe ich mit Bilder-Sortieren und immer kränker werden. Ich schaue nochmal kurz beim Hostel vorbei, um die Lampe und zwei Expander (die ich nicht gebraucht habe) zurück zu geben, esse noch fix zu Abend und dann war’s das auch schon für dieses Wochenende. Gar nicht so viel zu erzählen, wenn die Fotos alles sagen.

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