Timor-Leste: Stromprobleme, Landschaft und ein Feiertag

Unter den top 5 der stressigsten Arbeitstage meines Lebens? Mittwoch diese Woche. Aber das ist eine Geschichte für einen weiteren Blogpost.

Die Woche ist vor allem gekennzeichnet durch die Vor- und Nachbereitung eben jenes Mittwochs. Sowie die sich daran anschließende Vorbereitung der kommenden Woche. Zwischen zwei Büros (World Vision sowie Similie, einer lokalen IT-Firma mit der wir partnern) hin und her, dazu noch Unterkunftswechsel. Viel Logistik.

Ab Dienstag soll ich aus meinem Hotel raus und in einem Apartment unterkommen. Wir wissen nur noch nicht welches. Das erste, zu dem mein Fahrer mich bringt, ist mit „Drecksloch“ leider noch zu gut beschrieben. Unsauber und dunkel, der Putz kommt von den Wänden und es riecht leicht nach Fäkalien. Ausserdem lebt zehn Meter weiter ein Hahn, der mich um den Schlaf bringen würde.

Das zweite ist schon besser. Zwar auch eher Dunkel aber immerhin zwei Zimmer. (Das Schlafzimmer gänzlich ohne Fenster, durch die des Wohnzimmers kommt aber auch kaum Licht rein). Klimaanlage ist in Ordnung, das Bad sauber, es gibt sogar eine Kochgelegenheit, wenn auch ohne Geschirr, Besteck, Pfannen/Töpfe. Egal, wäre mir eh zu anstrengend, hier noch selbst zu kochen. Nehm ich also. Der einzige Haken? Es gibt keine Bettwäsche. Nix. Kein Kissen, keine Decke, keine Bezüge. Aber das kriege ich schon noch geschaukelt.

Apropos schaukeln. Dienstag gab es ein Erdbeben, Stärke 6.2, 100km südlich der Insel. Im 10. Stock des Finanziministeriums hat man das immerhin gespürt. Nichts worüber man sich sorgen machen müsste, ausser dass nach dem Lombok-Erdbeben vor ein paar Wochen generell die geologische Unruhe in unsere Richtung zu wandern scheint.

Ich erfahre das, als ich gerade auf Bettzeugsuche bin. Ein Chinesen-Laden (die größeren Läden hier werden alle von Chinesen betrieben, die tonnenweise qualitativ zweifelhafte Ware importieren) hat zwar Kissen und Decke (plus Bezüge) aber kein Spannbettuch. Und das zu einem für nicht-überprüfbare Qualität horrenden Preis. Also weiter suchen und tatsächlich erhalte ich von Elaine, der Managerin in meinem bisherigen Hotel den Tipp, doch bei Hugh, dem Neuseeländer vorbei zu gucken. Der betreibt einen Fish&Chips-Laden um die ecke und im hinteren Raum hat er eine Vollausstattung an Hotelbedarf. Handtücher, Bettwäsche und so weiter.

Die kosten zwar auch mehr als in Deutschland, aber immerhin weiss ich hier, was ich bekomme. Und als er erfährt, dass ich zu Fuß da bin, fährt er mich sogar noch nach Hause.

Zuhause dann: ein bisschen rumhängen. WLAN ist fürchterlich, aber viel besser ist es nirgends. Ich lege mich kurz nach elf ins Bett und gerade als ich bereit bin einzuschlafen, geht die Klimaanlage aus. Dann stelle ich fest: der ganze Strom ist weg. Der Sicherungskasten ist es nicht, aber meinte da nicht…? Doch. Man hat mich zwar gewarnt ich müsse den Strom extra kaufen, aber davon, dass ich draußen vor der Tür einen Zähler habe, der mit einem Code aufgeladen wird, hat man mir nichts gesagt. Diese Codes muss man im Laden kaufen und jetzt ist es eigentlich viel zu spät. Gerade bereite ich mich darauf vor, in einem unangenehm warmen Zimmer zu schlafen, da höre ich ein Auto. Ich ziehe die nächste Hose, die ich greifen kann, an (verkehrt herum, wie sich dann rausstellt) und springe mit nacktem Oberkörper in den Hof, wo ein netter Indonesier mich aufklärt. Ja, die Stromcodes kriege ich in bestimmten Läden oder über den Apartment Manager. Er versucht den mal anzurufen.

Und tatsächlich, wenige Minuten später steht der Apartment Manager vor meiner Tür. Seufzt über meine Unkenntnis, nimmt mir zehn Dollar ab und verspricht mir, gleich wieder da zu sein.

So lange unterhalte ich mich mit dem Indonesier. Er kommt aus Java, seine Frau arbeitet hier in der Botschaft. Wird hier wohl zwei Jahre verbringen.

Ich biete ihm eine Zigarette von meinem „Deutschen“ Tabak an. Wir quatschen über dies und das.

Ich: „My name is Julian and yours?“

Er: „Hermann“

Ich: „What?!?“

Er: „Yeah! My mother‘s boss was German. Hermann Haferkamp.“

Wir unterhalten uns noch über Jakarta und dass man selbstgedrehte Zigaretten ja eigentlich zum Ganjah rauchen nimmt und ob ich das mal probiert hätte, er hat ja während seines Studiums total viel gekifft und ob in Deutschland Cannabis legal sei und so weiter?

Fünf Minuten später kommt dann auch der Office Manager, wo er um die Uhrzeit einen Laden gefunden hat, der Stromcodes verkauft, bleibt mir ein Rätsel. Aber immerhin kann ich jetzt in einem akzeptabel temperierten Zimmer schlafen. Gute Nacht.

Ich komme erst gegen halb 2 zum Schlafen, was besonders ungünstig ist, denn der nächste Tag ist dann eben oben genannter Stresstag und wir treffen uns um kurz nach sieben am Büro. Immerhin können wir noch kurz anhalten damit ich mir einen Kaffee holen kann, bevor es hinauf in die Berge geht. Nach Aileu.

Der Weg ist wunderschön, wenn auch extrem holprig. Aber diese Aussicht!

 

Dort dann insgesamt 8 Stunden Stress. Wie gesagt, anderer Blogpost. Immerhin habe ich die Chance, zur Mittagspause kurz auf den Markt zu gehen und ein paar Portraits von Menschen zu schießen. Zum Beispiel von diesem Herrn, der sehr Stolz auf seinen Hahn ist (den er vermutlich ganz Bald bei einem Hahnenkampf einsetzen wird).

Oder dieser Mensch.

Oder er.

Oder diese beiden Damen.

 

Der Rückweg ist nicht weniger spektakulär und während die Hinfahrt fast zwei Stunden dauert, sind wir Bergab in etwas mehr als 60 Minuten wieder in Dili. 

Heute ist nationaler Feiertag. Jahrestag des Unabhängigkeitsreferendums. Früher, erzählt man mir, wurden entlang der Straßen Kerzen angezündet, an den Ecken brannten Reifenstapel. Heute ist das alles ein bisschen weniger, aber als ich im Hostel meiner Freundin Kym sitze, zieht dann doch eine Rauchschwade zum Balkon hoch.

Kym erzählt, wie sie damals anwesend war, als UN-Beobachterin. Kaum war klar, dass das Referendum mit einem haushohen „Ja“ ausgehen würde, fingen die Indonesier an, alles niederzubrennen. Sie selbst versteckte sich zusammen mit einem Journalisten im Hotel, da sie als „Vertragsmitarbeiterin der UN“ keinen Sicherheitsschutz bekommen hatte und unter Journalisten noch am wenigsten gefährdet sein würde. Erst am nächsten Tag wurde sie evakuiert.

Wochenlange Massaker folgten und erst ende September stoppten die Australier unter Flagge der UN den drohenden Genozid. Dili wurde zur Geisterstadt, die Menschen flohen ins Umland. Im Jahr 1996 bekam Jose Ramos-Horta zusammen mit Bischof Ximenes Belo den Friedensnobelpreis.

Eine kleine Randgeschichte: Trotz der Massaker und Gräueltaten der Indonesier hatte es Xanana Gusmão einer der Anführer des Widerstandes, damals geschafft, seine Leute auf sicherem Wege zu informieren und dazu zu bringen, sich in spezielle Zonen zurückzuziehen. Nur so konnten die Australier zwischen Indonesischen Milizen und Timoresischen Rebellen unterscheiden und die „richtigen“ Leute festsetzen. Die Timoresen mussten also zugucken, wie ihr Land brannte, ohne sich wehren zu können, hielten sich aber daran und wurden schließlich ohne Konsequenzen entwaffnet.

Zur Timoresischen Geschichte dann sicher bald mehr, denn der Besuch des Widerstandsmuseums steht noch auf meiner To-Do-Liste. Am Wochenende geht’s aber erstmal ins Hinterland, denn ich habe heute ein Motorrad geliehen bekommen. Juhu!

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